„So nachvollziehbar Motiv und Ziel dieser Initiative waren, so problematisch ist die Umsetzung in Recht und Praxis.“
Das Urteil der Branche ist so einhellig wie negativ. Hatte die Richtlinie das Ziel, den Sekundärmarkt für neue Akteure zu öffnen und für bessere Vermarktungschancen durch einen auf diese Weise verstärkten Wettbewerb zu sorgen, wurde am Ende eher das Gegenteil erreicht. Der vom Gesetzgeber aufgebaute bürokratische Popanz bewirkte: „dass sich allein aus dem Kreis unserer Verbandsmitglieder mehr als die Hälfte aus diesem Geschäft zurückgezogen hat“, beschreibt BDIU-Präsidentin Anke Blietz-Weidmann die Auswirkung des Gesetzes.
Die Zulassung als Kreditdienstleister durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die das Gesetz verlangt, war für viele der bisherigen Marktteilnehmer zu aufwändig, zu kompliziert und zu folgenreich, etwa bei zukünftigen Berichtspflichten. Nur zwanzig BDIU-Mitglieder wagten den beschwerlichen Weg durch das Dickicht des Erlaubnisverfahrens. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes waren es noch etwa fünfzig gewesen. Bei diesem Ergebnis, so resümiert Blietz-Weidmann, müsse man das Vorhaben wohl als gescheitert betrachten.
Die Verbandspräsidentin bezieht sich dabei auf die Stellungnahme des BDIU, die im Gesetzgebungsverfahren dem Bundesfinanzministerium zugeleitet worden war. Darin war deutlich davor gewarnt worden, die bürokratische Latte zu hochzulegen. Die eigens zu dieser Frage durchgeführte Mitgliederbefragung hatte dazu klare Ergebnisse gehabt. Der BDIU hatte daher vorhergesagt, dass sich auf dieser Basis der Markt nicht vergrößern, sondern eher verkleinern würde. Mit der Folge, dass bei einem reduzierten Wettbewerb die Erlöse nicht steigen, sondern fallen würden. Vor allem die kleineren Inkassounternehmen hätten sich, so die Verbandspräsidentin, wegen des bürokratischen Aufwands zurückgezogen.
Die Sinnhaftigkeit des EU-Aktionsplans stand dabei nie zur Debatte. Auch der BDIU begrüßt grundsätzlich eine EU-weite Harmonisierung der Zugangsvoraussetzungen für Kreditdienstleistungen und die Absicht, den NPL-Zweitmarkt für mehr Anbieter zu öffnen. Das sei, so Blietz-Weidmann, auch vor dem Hintergrund der Prognosen der europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ein wichtiges Signal gewesen. Denn die EBA geht – auch in Deutschland – von einem Wachstum des NPL-Marktes aus. Prognostiziert sind etwa fünf Prozent Anstieg des Volumens, von aktuell 38 auf dann 39,8 Mrd. Euro. Die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht hatte dann aber die Empfehlungen der beteiligten Wirtschaft ignoriert. Ein leider gutes Beispiel dafür, klagt die Verbandschefin, was passiere, wenn Theorie auf Praxis trifft. In der Stellungnahme von 2021 sie das klar formuliert gewesen, wie man es hätte besser machen können. Zitat: „Eine Stärkung des Sekundärmarktes für notleidende Bankenkredite setzte vorrangig den Abbau von Bürokratie für existierende Marktteilnehmer und die Reduktion von Marktzugangshemmnissen für neue Wettbewerber voraus.“
Wer die Begründung der EU-Richtlinie aufmerksam liest, stellt schnell fest, dass sich die Positionen der im deutschen Gesetzgebungsverfahren gehörten Wirtschaftsverbände weitgehendst mit denen der ECOFIN und der EU-Kommission decken. In der Einleitung zur Richtlinie 2167 heißt es wörtlich: „Die Ausarbeitung einer umfassenden Strategie zur Lösung des Problems der notleidenden Kredite ist eine Priorität der Union. Auch wenn die Hauptverantwortung für den Abbau notleidender Kredite bei den Banken und Mitgliedstaaten liegt, besteht doch auch aus Sicht der Union ein klares Interesse daran, dass die derzeitigen Bestände an notleidenden Krediten abgebaut werden und ihr übermäßiges Aufkommen in Zukunft verhindert wird. Da das Banken- und Finanzsystem in der Union miteinander verflochten ist und Kreditinstitute in mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten tätig sind, besteht sowohl in Bezug auf das Wirtschaftswachstum als auch auf die Finanzstabilität ein erhebliches Potenzial dafür, dass es zwischen den Mitgliedstaaten und in der gesamten Union zu Ausstrahlungseffekten kommt.“
„Wenn der Markt regeln und ausbalancieren soll, muss man den Markt auch machen lassen und keine Bürokratie-Monster bauen, die das Gegenteil bewirken.“
So zutreffend diese Analyse für den gesamten europäischen Wirtschaftsraum ist, so richtig ist auch, dass Umfang und Volumen des Kreditzweitmarktes in Deutschland kein volkswirtschaftliches Risiko darstellen. Dennoch werden sie als potenzielles Risiko betrachtet, das sorgfältig überwacht wird. Die NPL-Quote beträgt in Deutschland aktuell etwa 1,1%, was signifikant unter dem 1,8 % EU-Durchschnitt liegt. In Anbetracht dieser Werte kann man die notleidenden Kredite derzeit nicht als ernsthafte Herausforderung für deutsche Banken betrachten. Zwar ist das kein Grund, in diesem Bereich nicht wachsam zu sein, immerhin verzeichnet das NPL-Barometer wie erwähnt einen deutlichen Anstieg des Volumens und damit ein steigendes Risiko für Kreditausfälle. Insbesondere der Bereich der Gewerbeimmobilien verdient dabei wachsende Aufmerksamkeit: Mit einer NPL-Quote von 3,4 % ragt dieser Bereich mit einsamen Spitzen aus der Gesamtbetrachtung heraus.
Zum Gesamtbild gehört dann auch, dass präventive Maßnahmen sehr wohl ergriffen wurden. Mit antizyklischen Eigenkapitalpuffern wurden zum Beispiel makroprudenzielle Instrumente implementiert. Auch die Europäische Zentralbank überwacht verstärkt den Markt für notleidende Kredite. Und zumindest in der Theorie hätte auch das Kreditzweitmarktgesetz entlastend wirken können. Doch auch wenn die deutsche Interpretation der EU-Richtlinie fehlerhaft ist, lässt sich resümieren, dass die vergleichsweise geringe NPL-Quote und die bereits ergriffenen präventiven Maßnahmen das deutsche Bankensystem als gut genug gerüstet erscheinen lassen.
Risiken erwachsen daher vermutlich eher aus der engen Verflechtung des europäischen Finanzsystems, wenn also ein fallender Dominostein, die anderen mit sich reißt. Die These, dass ein integriertes Finanzsystem die Widerstandsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion bei negativen Schocks erhöht, hängt also wesentlich davon ab, dass „die private grenzübergreifende Risikoteilung erleichtert und zugleich das Erfordernis einer Mitübernahme von Risiken durch die öffentliche Hand verringert wird.“ (Zitat EU-Richtlinie 2167)
Das über die NPL-Problematik hinausweisende Ziel der EU-Kommission war daher, die Bankenunion zu vollenden und parallel dazu die Kapitalmarktunion voranzutreiben. Der Zusammenhang: Die zum Teil hohen Bestände an notleidenden Krediten und die damit einhergehenden Finanzmarktrisiken wirken für die betroffenen Banken wie der sprichwörtliche Showstopper. Statt einer belebenden Wirkung auf den Wettbewerb im Bankensektor wird stattdessen seine Konsolidierung befördert. Schlechte Nachrichten für Wachstum und Arbeitsmärkte.
Anzeichen dafür, dass sich die von der EU erwünschte Wirkung – zumindest in Deutschland – in ihr Gegenteil verkehrt sind bereits erkennbar. Die eingeschränkte Teilnahme von Kreditkäufern hat zu einer verhaltenen Nachfrage, schwachem Wettbewerb und niedrigen Angebotspreisen für Kreditverträge auf Sekundärmärkten geführt. Kreditinstitute sind daher zurückhaltend, wenn es darum geht ihre notleidenden Kredite zu verkaufen. Sie bleiben in den Bilanzen, mit all den negativen, weiter oben bereits beschriebenen Folgen.
„Wenn die Anhörung der beteiligten Wirtschaft im Gesetzgebungsverfahren ohne erkennbare Gründe völlig wirkungslos bleibt, darf man sich im Parlament nicht wundern, wenn Gesetze ihren Zweck nicht erfüllen.“
Vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Tragweite des misslungenen Gesetztes verkommt die überflüssige Überbürokratisierung fast schon zur Randnotiz. Dennoch, es muss einmal ausgesprochen werden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, mit dem Kreditzweitmarktgesetz zugleich redundante Aufsichtsstrukturen einzuführen, verschiebt ein gut gemeintes Gesetz in die Kategorie der Schildbürgerstreiche. Dies um so mehr, wenn die Bundesregierung im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens durchaus erkannt hatte, „dass Kreditdienstleistungen von in Deutschland bereits hinreichend regulierten Inkassodienstleistern erbracht werden“ (Zitat Stellungnahme des BDIU). Zwar hatte sich die Bundesregierung erfolglos für eine Öffnungsklausel eingesetzt, um Inkassodienstleister aus dem Anwendungsbereich des KrZwMG herauszudefinieren. Dass dann aber die Umsetzung in deutsches Recht gerade nicht minimal-invasiv erfolgte und die Aufsicht beim ohnehin nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zuständigen Bundesamt für Justiz konzentrierte, gehört zu den Volten, die offenbar nur die deutsche Bürokratie so meisterhaft schlagen kann. Alternativen hatte der BDIU in epischer Breite aufgezeigt. Die Präsidentin des BDIU betrachtet die Situation mit einer Portion gelassener Resignation: „Wir sind gespannt, wie der Gesetzgeber auf die Situation reagiert. Auch wenn wir hierzulande kein echtes Problem mit notleidenden Krediten haben, sollte im Sinne des europäischen Marktes bald Abhilfe geschaffen werden.“